Interview Radio Z mit Uwe Weber (Regisseur von ABGEKARTET).
Ausstrahlung war am 21. Oktober 2016 in der Sendung Stoffwechsel.
Z: "Hallo Herr Weber!"
UW: "Hallo."
Z: "Abgekartet heißt ihr neuestes Stück für die Bühne. Worauf bezieht sich der Name?"
UW: "Am Anfang wird tatsächlich mit Karten gespielt. Später werden diese Karten als Projektionen
zu sehen sein. Ich nehme an, man versucht eine Analogie zwischen den Kartenspiel und den
Projektionen herzustellen. Als wenn die Karten, die auf den Tisch gelegt werden, das spätere
BühnenSpiel bestimmen."
Z: "Wie lange wurde denn geprobt?"
UW: "Seit Mai 2015. Das klingt lange, ist es aber im Vergleich zu anderen Stückentwicklungen
nicht, denn wir treffen uns nur Freitagvormittag, - und da auch nur wenn keine Schulferien sind. Das
macht, wenn man alles zusammenrechnet, einen Probeprozeß von rund 3 Wochen. Also in etwa ein
normaler Stückentwicklungsprozeß, die Vorrecherche jetzt nicht eingerechnet."
Z: "Stückentwicklung, also kein Autor?"
UW: "Das Ensemble ist der Autor. Die Texte wurden im Entwicklungsprozeß von den
SchauspielerInnen selbst geschrieben. Später wurden die Texte von mir inszeniert, zum großen Teil
auch mit den SpielerInnen die sie geschrieben haben."
Z: "Worum geht es in dem Stück überhaupt?"
UW: "Es geht um Befreiung. Um Befreiung 'von etwas, für etwas' oder 'für etwas, von etwas'. Ich
untersuchte dabei die Befreiung des Einzelnen im Kontext der eigenen, persönlichen
Befreiungserfahrung oder die Befreiung aus moralischen, ethischen Vorgaben z.B einer Kultur oder
einer Gesellschaftsform. Auch interessiert es mich, ob sich die Befreiung so hergestellt hat wie sie
erhofft wurde, oder - geht die Befreiung wieder weiter - erhält sie einen weiteren Befreiungsimpuls.
Wo landet man, wenn zu der Feststellung gekommen ist, dass die Befreiung nur ein
Befreiungsschrittchen war."
Z: "Warum Schnittstelle von Theater, Tanz, bildender Kunst und Performance?"
UW: "Ich finde: beim Thema Befreiung spielen kleine subtile Faktoren eine wesentliche Rolle.
Zumindest am Anfang, wenn die ersten zarten Befreiungsversuche empfunden und umgesetzt
werden. Da bietet sich der Tanz hervorragend als Ausdrucksmedium an, während Befreiung durch
Sprache - oder von Sprache, oder mit Sprache - ganz gut im Theater funktioniert. Performance schaffte
einen Rahmen innerhalb dessen ich die gesamte Form, das ganze Stück sehe. Ich meine damit die
garantiert plotfreie und assoziative Szenenfolge. Bildende Kunst bildet sich selbst ab und dient in
diesem Stück auch als Verlangsamung und Stillhalten."
Z: "Plotfreie Unterhaltung. Jetzt fehlt nur noch der Begriff postmodern
und wir halten uns im Zeitgenössischen auf!?"
UW: "… neja, die Grundbedingungen einer Postmoderne werden in dem Stück abgearbeitet. Das
heißt: Figuren tauchen auf und verschwinden einfach wieder, ohne einer Geschichte, einer Erzählung
zu dienen. Es finden - ähnlich wie bei einer Kameraarbeit im Film - Perspektivwechsel statt, die auch
vielleicht nur ein kleines Detail vergrößern. Sprache taucht auf und dekonstruiert sich selbst oder
wird als Dekonstruktion ausgestellt. Das Stück hat seinen eigenen Humor, seine Narren.
Wechselbäder finden statt. Gefühle werden simuliert und sind doch authentisch… Die Frage ist
dann wiederum: Vielleicht befreit sich das Stück von der Postmoderne in die Postpostmoderne oder
in eine Prä-Hyper-Optimierungs-Individualisierung mit anschließenden Hang zur Unsichtbarkeit."
Z: "¿Was?"
UW: "Tut mir leid, ich wollte einen Witz machen!"
Z: "Eine Frage zu den Mitwirkenden. Sie sagten vorhin: es ist eine Mischung aus Profis und
Amateuren. Wurden die Darsteller gecastet?"
UW: "Nein, kein Casting. Alle Darsteller trainieren, manche schon seit Jahren, mit mir zusammen
eben freitags bei thevo. Ich habe ein Konzept entwickelt, welches Bühnendarsteller im Tanz, Ton
(Musik, nicht Töpfern) und Theater trainiert. Als erstes Stück lief vor 4 Jahren Cora. Fast alle
Darsteller aus der ersten Produktion sind wieder dabei. Wir sind ein richtiges Ensemble geworden.
Ungefähr die Hälfte sind in anderen Theaterstücken bei thevo oder anderen Theatergruppen zu
sehen. Die anderen gehen "anderen" Berufen nach, z.B. Flugbegleiter, Steinmetz oder Masseurin."
Z: "Ein Geständnis meinerseits: ich habe einige Szenen nicht so richtig verstanden. Äh, können Sie
mir vielleicht erklären …"
UW: "Die Grundlage des Stückes liegt für mich in den verschiedenen Atmosphären der Szenen. Uns
als SpielerInnen ist es manches Mal auch nicht so richtig klar wohin die Szene sich entwickelt. Ein
Raum entsteht, der gefüllt werden will, ein Raum, in den sich der Akteur hinein befreit. Es findet
immer noch ein Forschen, ein Enthüllen, ein Entdecken während der Aufführung statt. Die Figur
befreit sich aus der Wahrnehmung von sich selbst und schafft dadurch für den Zuschauer eine
Durchlässigkeit und Transparenz. Beides ist für mich im Stück sehr wichtig und es berührt mich
zutiefst wenn ich spüre wie sich die einzelnen ihre Freiheiten erlauben."
Z: "O.k. o.k. danke. Ich bedanke mich erstmal für das Gespräch. Wird das Stück noch einmal zu
sehen sein?"
UW: "Ich denke im April zeigen wir es noch einmal auf dem Festival der fränkischen freien
Theater. Ansonsten bewerbe ich mich dem Stück auf Festivals. Danke für das Interview."